Seit mich meine Schulkollegin Simone mit neun Jahren in den
Kinderchor mitgeschleppt hat, singe ich mit Begeisterung. Über
Schulchor und Kirchenchor kam ich zum klassischen
Gesangsunterrricht. Befreiender als das Üben des Kunstliedes
fand ich es aber, als Frontman einer Funkrockband zu agieren: So
viel Rhythmus, so viel Power, eigene Stücke schreiben, auf der
Bühne stehen und mit tollen Instrumentalisten zusammenspielen.
Das gehört zum Schönsten, was das Leben zu bieten hat!
Aber klassische Technik und Rockgesang:
Wie passt das zusammen? Zunächst musste ich dafür meinen eigenen
Weg finden, der so (zu recht) in keinem Lehrbuch steht. Ich
brauchte erstmal dringend Unterricht in Popgesang, der meine
Stimme tatsächlich variabler machte, so dass ich verschiedenen
stilistischen Anforderungen souveräner und mit mehr Leichtigkeit
begegnen konnte.
Modern Jazz hat mich schon zu Schulzeiten
fasziniert und in der Konzertsaison durfte ich keinen meiner
grossen Jazz-Helden verpassen, von Charlie Mariano bis McCoy
Tyner. Nun wollte ich unbedingt auch selbst Jazz singen können,
und das bedeutete vor allem: improvisieren lernen. Diese neue
musikalische Reise hat mich mit vielen grossartigen Lehrern
zusammengebracht, die mir ein weites Spektrum der
Ausdrucksmöglichkeiten der Stimme gezeigt haben, einschliesslich
vieler Querverbindungen zwischen verschiedenen Stilen und
Techniken. Welch schöne neue musikalische Freiheit.
Als grundlegende Technik habe ich die
funktionale Gesangspädagogik für mich entdeckt. Dank einer sehr
feinen, aufmerksamen und wissenschaftlich fundierten Wahrnehmung
des menschlichen Instruments wird die Stimmbildung dabei zur
faszinierende Erkundungsreise des eigenen Körpers und seiner
Klangmöglichkeiten. Die stimmlichen Fortschritte sind so
wesentlich grösser als ich sie bei anderen Methoden erlebt habe.
Gleichzeitig wird den Risiken körperlicher und stimmlicher
Fehlbelastungen effektiv vorgebeugt. Diese Erfahrung wollte ich
an andere weitergeben und begann vor mehr als zehn Jahren, neben
meiner Tätigkeit als Klimaökonom, Gesangsunterricht zu geben.
Etwa zur gleichen Zeit gründete ich ein
A-cappella-Quintett, um meine neuen stimmlichen Möglichkeiten
auf ein möglichst breites Repertoire aus Klassik, Jazz,
Volkslied und Pop anzuwenden. A cappella empfinde ich auch heute
noch als besonders lohnenswerte und herzerfreuende
Herausforderung. Vor allem ist es eine exzellente Schulung fürs
Gehör. Stückeauswahl, Arrangements, Ensembleklang und
Interpretation verlangen zudem viel Kreativität und intensiven
Austausch zwischen den SängerInnen.
Dem Roy Hart Theatre vedanke ich die
Inspiration zur Gründung von «Stimmfreiheit». Im Roy Hart Centre
habe ich gelernt, dass Stimmarbeit ein Schlüssel zur eigenen
Persönlichkeit ist. Wenn stimmlicher Ausdruck den sinnlichen
Einklang mit Körper und Seele findet, birgt die menschliche
Kreativität ungeheure Entfaltungsmöglichkeiten, mit denen wir
uns selbst und andere noch einmal auf ganz andere Weise berühren
können. Unsere Fortschritte sind dabei nicht auf die Stimme
begrenzt, sondern können alle möglichen Lebensbereiche erfassen.
So faszinierend und fruchtbar ist die
Arbeit mit der Stimme für mich geworden, dass ich diese
Erlebnisse, Inspirationsquellen und Techniken anderen möglichst
intensiv weitergeben möchte. Anne Hartkamp verdanke ich die
Beschäftigung mit der funktionalen Methode als auch die
Entdeckung des Roy Hart Centre. Welch grosse Veränderungen
daraus entstanden sind! Das gilt eigentlich schon für Simones
Einladung in den Kinderchor. Wer hätte es damals ahnen können
als ich bei meiner ersten Probe verzweifelt versuchte die
richtige Stimme zu finden?
GesangslehrerInnen: Anne Hartkamp (Köln), Rachel
Kessler (Bern), Klaus-Dieter Kübler (Reutlingen), Petra Straue
(Stuttgart)
Gesangs- und Stimmbildungsworkshops bei:
David Goldsworthy, Uwe Götz, Anne Hartkamp, Anke Held, Walli
Höfinger, Christiane Hommelsheim, Marianne
LeTron, Annette Postel, Renate Rabine, Christoph Schönherr, Heinrich Thiel,
Susanne Weins, Christian Zehnder
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